Lieblingstitel 2021

Hier finden sich jeweils fünf Lieblingstitel des Strips & Stories Teams für 2021. Einige weitere Titel würden eigentlich auch auf diese Liste gehören und andere hätten wir sogar gern doppelt aufgenommen. Auf jeden Fall wünschen wir spannende Leseerlebnisse mit unseren Empfehlungen.

Stones – Nadine Redlich (Rotopol)
Wieviel von diesen Hügeln ist Gold – C Pam Zhang (S. Fischer)
Anna – Mia Oberländer (Edition Moderne)
Melek & ich – Lina Ehrentraut (Edition Moderne)
Shadow Life – Hiromi Goto & Ann Xu (First Second)

Ich traue Nadine Redlich zu 500 seitige Theorie-Bücher in kleiner Bibelschrift ohne Inhaltsverlust auf einer Seiten darzustellen und zwar so, dass man lachen muss. Für mich ist das philosophische »Stones« die Quintessenz von Comic.

C Pam Zhang hat mich mit ihrem furiosen Romandebut »Wieviel von diesen Hügeln ist Gold« von den Socken gehauen. Der Western erlebt ja schon seit einigen Jahren eine popkulturelle und cineastische Wiedergeburt (don’t miss Jane Campion!). Und wir wissen alle wer der unangefochtene coolste Cowboy ist (nein, nicht Lucky Luke). Die sehr poetische und brutale Geschichte um eine chinesische Einwandererfamilie zur Goldschürferzeit fasziniert sprachlich und durch inhaltliche Tiefe.

Das Comic Debut »Anna« ist cool, bissig und schlau. Die illustratorischen Kniffe sind perfekt orchestriert. Das fängt beim Cover und dem Einband an und spannt sich durch das ganze Buch. Für Personen, die aus kleinen süddeutschen Städten kommen besonders kathartisch.

»Melek & ich« ist fresh. Die Edition Moderne hat dieses Jahr auffallend viele herausragende Titel verlegt. Dieser gehört auf jeden Fall dazu. Ein wilder Ritt durch Raum, Zeit und Identität – und ein völlig neuer Blick auf Selbstliebe.

»When Death comes too soon, fight dirty«. Die Schriftstellerin Hiromi Goto hat einen sehr sarkastischen, empowernden Comic über den letzten Lebensabschnitt geschrieben. Ann Xu hat das Szenario von »Shadow Life« großartig interpretiert. Vor allem die fantastischen Elemente der Geschichte sind toll umgesetzt. (wer mehr Interesse hat, auch der neue Roman »Chor der Pilze« von Goto ist sehr zu empfehlen)

– Gesine.

Tunnel – Rutu Modan (Carlsen)
My begging chart – Keiler Roberts (Drawn & Quarterly)
Der Park – Jul Gordon (MamiVerlag)
Unimpressed – Miranda Tacchia (Fantagraphics)
Residenz Fahrenbühl – Anna Haifisch (Spector)

Alles, was Rutu Modan macht, ist gut. Nach den eher ruhigen und melancholischen Vorgängern präsentiert die israelische Zeichnerin mit „Tunnel“ ein wilde und überdrehte Geschichte im Kontext des Nahostkonflikts, die zugleich lustig, wütend, sarkastisch und aufklärerisch ist.

Nicht besonders aufregend scheinen die Alltagsepisoden von Keiler Roberts (USA) auf den ersten Blick. Aber schon nach wenigen Seiten erkennt man ihr erzählerisches Talent und die Schönheit und Traurigkeit ihrer tiefgehenden Geschichten. Inklusive entwaffnendem Humor.

Jul Gordons „Der Park“, zuerst in einem französischen Verlag erschienen, wurde nun endlich in einer deutschsprachigen Ausgabe veröffentlicht. Das wurde auch Zeit! Der Comic erzählt von einer absurd zusammengesetzten Gemeinschaft in einer Parkanlage, manchmal sehr sehr lustig, manchmal verrückt. Auch als große Bühnenproduktion denkbar!

„Unimpressed“ beschreibt fast perfekt bestimmte Möglichkeiten des Comics. Miranda Tachias (USA) kurze Situationsbeschreibungen fassen Gefühle, zwischenmenschliche Verhältnisse, Ignoranz und Selbstreflektion auf den Punkt genau zusammen. Und das ohne Nasen!

Die wundervolle Beschreibung zweier Mäuse in Coronazeiten während einer Künstlerinnen-Residenz. Quasi ein Spin-Off zur Anna Haifischs „Artist“ Reihe und etwas näher an einer Erzählung als an der dort vorherrschenden Poesie (Nix gegen dieselbe, denn wie der kanadische Zeichner Seth mal meinte, könne man Comics auch als Mix zwischen Graphic Design und Poesie verstehen).

  • Hans.

Strips & Stories Lieblingsbücher 2020

Hier findet ihr je fünf Titel, die uns in diesem Jahr richtig gut gefallen haben. Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl und es gab noch sehr viel mehr lesenswerte Bücher. Diese hier haben wir aber besonders gerne gelesen.

Gesine

Ich kann es nicht so gut in Worte fassen wie Anna Vollmer in ihrer Rezension in der FAZ: Booker Prize für Rijneveld : Ein Herz aus Hackfleisch aber der Titel beschreibt das Gefühl, was dieser Roman ausgelöst hat sehr gut: Brutalität und Poesie in verstörendem Einklang. A Hell of a Book!

Was man sät von Marieke Lucas Rijneveld – Suhrkamp Verlag
Über Spanien lacht die Sonne von Kathrin Klingner – Reprodukt
Moms von Yeong-shin Ma – Drawn & Quarterly
Das Jungfernhäutchen gibt es nicht von Olivia Hälterlein & Aisha Franz – Maro Verlag
Nori von Rumi Hara – Drawn & Quarterly

Kathrin Klingner begeistert wieder mit ihrem außergewöhnlichen Talent für die kleinen, feinen Gesten die Großes sagen. Ein Buch über den Umgang mit Internet-Trollen und deren Haßschwällen. Yeong-shin Ma schreibt eine beeindruckende Hommage für die Generation seiner Mutter und zerfetzt nebenbei die südkoreanische Gesellschaftsnormen. Olivia Hälterlein & Aisha Franz empören sich sachlich überzeugend und sprachlich mitreißend über den Mythos „Jungfernhäutchen“. Aishas Illustrationen sind der Hit und bringen alles auf den Punkt. Und im Debut Nori von Rumi Hara kann man einfach nur schwelgen – supergut erzählt, tolle Perspektiven. Man fliegt mit Nori durch die Geschichte – mit fast schon muminhafter Anarchie

Hans

Ich begehre Frauen von Diane Obomsawin – Edition Moderne
Rote Blüten von Yoshiharu Tsuge – Reprodukt
Julie Doucets allerschönste Comicstrips von Julie Doucet – Reprodukt
The Loneliness of the Long-Distance Cartoonist von Adrian Tomine – Drawn & Quarterly
Manno! von Anke Kuhl – Klett Kinderbuch

Diane Obomsawins wunderbares „On loving Women“ ist – nachdem sie im letzten Jahr beim Comicfestival zu Gast war – nun auch in einer deutschsprachigen Ausgabe erhältlich. Eine schöne Ansammlung witziger und trauriger Liebesgeschichten.

Dieser Toptitel ist schon ein paar Jahrzehnte alt und trotzdem frischer als so manche tagesaktuelle Neuerscheinung. Weird, nachdenklich und brillant gezeichnet sind Tsuges Kurzgeschichten in Rote Blüten, vielen Dank an Reprodukt für die Veröffentlichung des Klassikers aus den späten 60er Jahren.

Als ich in den 90ern begann, „richtig“ Comics zu lesen, war Julie Doucet neben den Hernandez Brüdern wohl meine Lieblingszeichnerin. Viele ihrer nicht nur für mich sehr einflussreichen Comics (feministsch! wild! supercool!) wurden dieses Jahr in einem Sammelband neu veröffentlicht (… und besonders haben wir uns gefreut, die Zeichnerin im März noch bei unserer ersten Jubiläumsveranstaltung zu Gast gehabt zu haben).

Adrian Tomines Heftchenreihe Optic Nerve kam bei meinem Einstieg in die Comicwelt gleich nach Love & Rockets oder Dirty Plotte, deshalb habe ich den oft hadernden, aber auch versöhnlichen Rückblick auf sein Leben als Zeichner sehr gern gelesen. Nicht nur weil einem viele Episoden aus der Comicszene nur allzu bekannt vorkamen.

Anke Kuhl erzählt auf unterhaltsamste Weise ihre Kindheitsgeschichte in den 70ern ohne auf heile Welt Szenarien angewiesen zu sein, das Leben wird so seltsam dargestellt, wie es eben manchmal ist.

P.S.: Nicht in meine Bestenliste geschafft hat es „Ausnahmezustand“ von James Sturm, aber auch nur weil mit „Off Season“ die englischsprachige Ausgabe schon letztes Jahr dabei war, noch immer ein außerordentlich guter Comic.